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Editorial by Dickie Cullimore

Der Daiquiri – Ein Drink, der dem Hype gerecht wird

4 Minuten


Drinks reisen mithilfe des Menschen – so finden manche von ihnen schnell Verbreitung, während andere sang und klanglos auf dem Tisch zurückgelassen werden. Dabei wirst du kaum einen Drink finden, der so weit gereist ist, wie der Daiquiri. Kein anderer Drink ist so beglückend, wenn er gut gemacht ist, oder so enttäuschend, wenn nicht. Bei diesem Cocktail muss man einfach alles daransetzen, ihn gut zuzubereiten und sich dann mit der Zeit immer weiter zu steigern. Er passt hervorragend zu entspannter Musik an einem sonnigen Sommertag, aber ob dieser von einem genussvollen Moment gekrönt wird, lässt sich erst sagen, wenn der Gast seinen Daiquiri gekostet hat – ein echter Stresstest für jeden Barkeeper.

Uncle Sam with Daiquiri in hand.

WARUM IST ER ALSO SO EIN GROSSARTIGER DRINK?
Nun, der Daiquiri ist befriedigend – vielleicht das einzige befriedigende Getränk auf dem Planeten. Er ist ausgewogen, in jedem Fall wohlschmeckend, irgendwie trocken, aber auch süß, erfrischend und belebend zugleich – nicht schlecht für nur drei Zutaten, von denen zwei aus der gleichen Substanz stammen, nämlich Zuckerrohr. Diese Einfachheit ist auch die größte Tugend des Daiquiri. Du brauchst nicht viele Geräte oder verrückte Zutaten, und du kannst ihn überall finden, oder in der Tat überall zubereiten, und wenn eine Bar nicht in der Lage ist, dir Rum, Zucker und Limette zu bieten, solltest du vielleicht besser woanders dein Glück versuchen.

Tatsächlich ist alles, was für einen Daiquiri erforderlich ist, Können, Zurückhaltung und Beobachtung. Verdünnen, Mixen, Kühlen und Shaken spielen natürlich auch eine Rolle, aber bei einem Daiquiri kannst du dich nirgends verstecken. Er ist so spärlich bekleidet, dass er alles offenbart. Du kannst die Qualität der Limette am Kitzeln auf der Zunge spüren – die verräterische Schärfe einer frisch gepressten Frucht oder die matte Säure von abgefülltem Saft – und sogar die Art des verwendeten Zuckers an der Textur und dem Geschmack erkennen. Das richtige Maß zwischen süß und sauer zu finden, ist hier die Kunst, und genau deshalb gilt der Daiquiri als Prüfstein für das Können eines Barkeepers.

ENDLOSE MÖGLICHKEITEN
Der Daiquiri ist auch ein unglaublich vielseitiger Baustein. Ändere eine Zutat und du hast ein ganz anderes Erlebnis. Wählst du als Rum Bacardi Reserva Ocho oder BACARDÍ Oakheart ist die Verwandlung immens, aber nicht grundlegend. Fügst du ein paar Barlöffel eines Italian Bitter hinzu, wird es ein Dry Daiquiri, ein wenig Kirsch und es ist ein Santa Marta, ein Tropfen Mastika und es ist ein Greek Daiquiri – ein Drink, den ich in einer kleinen, familiengeführten Bar entdeckt habe und von dem ich heute, fünf Jahre später, immer noch rede. In der Tat bietet das Abwandeln eines Daiquiri endlose Möglichkeiten für Innovationen, die zu einer ganzen Reihe großartiger Drinks geführt haben – ein wenig Maraschino und du hast einen El Floridita Daiquiri Number Four, füge einen Hauch Grapefruit hinzu und du hast einen Hemingway Daiquiri, dosiere den Rum etwas großzügiger und es ist ein Papa Doble.

Ich persönlich liebe Daiquiri, weil er ein so unbeschwerter Drink ist. Schon die Aussicht darauf bringt mich zum Lächeln. Außerdem ist er wunderbar haptisch und du weißt, dass er fertig ist, wenn deine Hände allmählich einfrieren. Im Gegensatz zu vielen anderen Drinks wissen wir bei diesem auch fast auf den Meter genau, woher es kommt – aus der Daiquirí-Kupfermine bei Santiago de Cuba. Hier mixte 1898 ein amerikanischer Bergbauingenieur namens Jennings Stockton Cox erstmals einen Drink, den er ursprünglich „Rum Sour“ nannte. Es war bei weitem nicht das erste Getränk, das diese Kombination verwendete – Caipirinha, Ponch oder sogar der Canchanchara können das auch für sich in Anspruch nehmen, aber da der Erfinder des Daiquiri alles andere als mittellos war, hatte er Zugang zu einer wichtigen, vierten Zutat: Eis. Dieses rare Luxusgut wurde damals mühsam von Menschenhand hergestellt und war entsprechend teuer. Für Cox war das glücklicherweise kein Problem.

Jennings Stockton Cox, Creator of the Original Daiquiri

ZUM TEILEN GEMACHT
Zwar sollten Rum, Limette, Zucker und Zugang zu einer Eismaschine ausreichen, um jeden von den Qualitäten des Daiquiri zu überzeugen, unser Drink konnte zudem aber auch auf einen wichtigen Verbündeten zählen: Jennings Stockton Cox – Entertainer, Moderator und mobile Ein-Mann-Marketing-Maschine. Cox scheute sich nicht, wo immer er hinging, nach seinem Drink zu fragen und unterwies dabei mehr als nur einen Barkeeper in der Kunst seiner Zubereitung. So ließ er seinen Daiquiri zunächst im Shaker eiskalt werden und dann vorzugsweise in einem Coupette-Glas servieren, das zu dieser Zeit üblicherweise edlem Champagner vorbehalten war. Schon bald war ein lokales Fischrestaurant in Havanna namens Floridita so bekannt dafür, einen großartigen Daiquiri zu machen, dass es den Namen La Cuna del Daiquiri – die Wiege des Daiquiri – erhielt und sein Barkeeper, Constante Ribalaigua, den Titel des berühmtesten Cantinero (Cocktail-Barkeeper) Kubas. Bald darauf wurde das Rezept an einen Marineoffizier namens Lucius W. Johnson weitergegeben, der es so sehr liebte, dass er den Drink in den Army and Navy Club in Washington, D. C. einführte (der immer noch eine Daiquiri Lounge hat) und damit eine buchstäbliche Armee (und Marine) leidenschaftlicher Anhänger erschuf, die den Daiquiri in die ganze Welt hinaus trug. Selbst die Prohibition konnte ihn nicht aufhalten und machte den Daiquiri nur noch begehrenswerter. Glücklicherweise verlor er nie seine Fähigkeit, Anhänger anzuziehen. Schon bald übernahm Ernest Hemingway diese Rolle und wurde dabei untrennbar mit dem Drink verbunden, gefolgt von Generationen von Barkeepern und Gästen, die ihn alle für sich entdeckten.

Original Daiquiri recipe by Mr. Cox

Leider habe ich zu Beginn meiner Karriere als Barkeeper irgendwie die Lektion über den klassischen, im Shaker zubereiteten Daiquiri verpasst – die Bedeutung der Balance, seine Einfachheit, sein grundlegender Einfluss auf so viele andere großartige Rum-Cocktails. Als ich die Lektion dann später nachholte, wurde das einer meiner großen Barkeeper-Heureka-Momente. Seitdem habe ich ihn oft bestellt, sicherlich mehr als jeden anderen Cocktail, und so ist er mit der Zeit Teil vieler erstaunlicher Erinnerungen geworden. Ich habe im Sweet Liberty in Miami Erdbeer-Cocktails mit Austern probiert und gesehen, wie er auf eine Art und Weise variiert wurde, die ich nie für möglich gehalten hätte – wie zum Beispiel Eric van Beeks unglaublicher Dutch East India Daiquiri, der subtile Andeutungen von Gewürzen verwendet, um die dazu passenden Noten im Bacardi Anejo Quatro zu betonen. Ich hatte sogar das Glück, einen in der American Bar des Savoy zu genießen, der mit einem alten Bacardi Carta Blanca aus den 1910er-Jahren hergestellt wurde – so konnte ich im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte kosten.

So oft ich auch einen Daiquiri bestellt habe, ich habe nie meine Begeisterung für ihn verloren, und für die eine oder andere Überraschung ist er auch heute noch gut. Wenn Leute sich nach mehr als einem Jahrhundert immer noch fragen: „Was kommt wohl heraus, wenn ich etwas davon hinzufüge?“ dann ist das genau die Basis, um etwas Neues zu kreieren und vielleicht, mit etwas Glück, den nächsten Cocktail-Klassiker.

TIPPS
Spare nie am Eis und verwende nach Möglichkeit eine Mischung aus Würfeln und zerstoßenem Eis. Stell dir einen großen Eisblock vor, der mit einem Hammer zerschlagen wird. Dadurch erhältst du Stücke, die gezackt und ungleichmäßig sind; einige groß genug zum Kühlen, andere klein genug, um im Shaker zusammenzuschlagen und für etwas Verdünnung zu sorgen. Diese Kombination ist auch näher an der ursprünglichen Herstellungsweise des Daiquiri.

Zucker kann sowohl den Körper, als auch die Textur und den Geschmack verändern, je nachdem, welche Sorte du wählst. Ich persönlich bin ein großer Fan von Streuzucker und verrühre ihn immer mit der Limette, bevor ich den Rum und das Eis hinzufüge, um ihm eine pikante Note zu verleihen. Der Schlüssel ist, ihn richtig aufzulösen, also nimm dir Zeit.

Und zu guter Letzt: Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die die entscheidende Balance kippen lassen können, also beginne am Besten mit dem klassischen Rezept. Scheue dich aber nicht, kleine Modifikationen vorzunehmen. Wenn ich zum Beispiel in einem kühlen Land einen Daiquiri mache, seihe ich ihn meist fein ab, während ich das in einem heißen Land nicht tue, um die betäubende Kühle von Eis ganz dezent auf der Zunge spürbar zu machen. Und koste immer, bevor du den Shaker aktivierst. Danach kannst du nämlich kaum noch etwas ändern, da ein erneutes Mixen den Drink noch mehr verdünnt und schwächt.